Ein Sieg des Mutes und der Vernunft: Das Ende des Zweiten Weltkrieges in Schramberg vor 80 Jahren

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Der 8. Mai ist der Tag der Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges in Europa – und gibt Anlass, auch zum 80. Jahrestag schlaglichtartig darauf zurückblicken, wie die Industriestadt Schramberg die damalige Zeitenwende erlebte, deren Erforschung bis heute andauert. 

Bei der Einnahme der Stadt an einem großartig blühenden und grünenden Frühlingstag stießen die Franzosen kaum auf Widerstand. Bei einzelnen Feuergefechten gab es nur wenige Tote. Mitglieder einer Widerstandsgruppe, die sich offenbar im Kontext der „Bewegung Freies Deutschland“ in der Schweiz sah, verhinderten mit Erfolg eine sinnlose Verteidigung – vor allem der Schreinermeister Alfons Kuhner (1897 – 1980) bei der Panzersperre am Kühlloch. 

Aus dieser Gruppe wurde der Kaufmann Christian Beiter (1908 – 1979) am 21. April 1945 anstelle des festgenommenen Bürgermeisters und NSDAP-Kreisorganisationsleiters Fritz Arnold (1899 – 1972) zum provisorischen Bürgermeister ernannt. Am 28. April 1945 konnte die Gruppe auch erstmals eine Zeitung mit dem Titel „Schramberger Anzeiger“ veröffentlichen.

Den Befehl „Schwabentreue“ zur Selbstzerstörung der Infrastruktur und zur Sprengung der Talzugänge hatte Stadtbaumeister Franz Glanz (1888 – 1963) unterlaufen, der am Abend des 20. April 1945 auf dem Rathaus die Stadtverwaltung an den französischen Kampfkommandanten übergab. Auch in der Industrie – vor allem in der Uhrenfabrik Gebrüder Junghans AG – arbeitete man durch „Lähmung“ auf ein zerstörungsloses Kriegsende hin. Dieser Sieg des Mutes und der Vernunft hat auch 80 Jahre später noch größten Respekt verdient, da alle damals entgegen der Befehle handelnden Personen von standrechtlicher Hinrichtung bedroht waren.

Auf den Rathausplatz hatten an den „Endsieg“ glaubende Nazis noch in roter Farbe „Werwolf, pack‘ zu!“ geschrieben, einen Aufruf einer am 1. April 1945 mit einem eigenen Radiosender bekannt werdenden „Bewegung nationalsozialistischer Freiheitskämpfer in Ost und West“, die den Feind hinter der Front angreifen und „Verräter“ aus der eigenen Bevölkerung ermorden wollte. Am Abend des 20. April 1945 fuhren die französischen Militärfahrzeuge zwischen Rathaus und Postamt (heute Kreissparkasse) dann aber schon bald über eine große Hakenkreuzfahne. Am Gasthaus „Mohren“ zogen stattdessen französisch-muslimische Kolonialsoldaten aus Marokko ihre „Grüne Fahne des Propheten“ auf. In der „Braustube Schraivogel“ wurde die Kommandantur der französischen Besatzungsmacht eingerichtet.

Das Ziel, so schnell wie möglich wieder zu einer Art Normalität übergehen zu können, wurde erreicht: Bereits am 30. April 1945 war die Arbeitsaufnahme in den Fabriken der Industriestadt wieder möglich, womit Schramberg noch vor Kriegsende unter den Pionieren des wirtschaftlichen Neubeginns in der Nachkriegszeit war. Allerdings verschlechterte sich die Lebensmittelversorgung gegenüber der Kriegszeit erheblich. Die „Schlechte Zeit“ begann, wie Zeitzeugen die Hungerjahre nach dem „Umsturz“ nennen.

Bis zum 29. April 1945 konnte die Bevölkerung noch Radionachrichten über die Kriegslage und die befreiten Konzentrationslager empfangen. Am 30. April 1945 mussten jedoch alle Radiogeräte abgegeben werden. Offenbar konnte nur die Polizei ein Radio behalten, wo die Feuerwehr als Hilfspolizei eingesetzt war. Dort hörten die Feuerwehrmänner am 8. Mai 1945 über den Sender „Stimme der Vereinten Nationen“ aus Luxemburg die Nachricht von der bedingungslosen Kapitulation des Deutschen Reiches, die dann am 9. Mai 1945 mit der dritten Ausgabe des „Schramberger Anzeigers“ auch der Bevölkerung bekannt gegeben wurde. 

Außerdem erfolgten Plakataushänge an den Anschlagtafeln der Stadtverwaltung. Die Schrambergerin Margot-Facon Lickl (1933 – 2024), die seit 1963 in Zürich wohnte und vor kurzem starb, blieb zeitlebens in Erinnerung, wie ihre Nachbarin Eleonore Haas (1924 – 1999) aus dem Gasthaus „Hasen“ an der Alten Steige vor einer dieser Anschlagtafeln einen Freudentanz aufführte, auf der stand: „Deutschland hat kapituliert. Der Krieg ist vorbei.“







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